Ich bin nicht schuld!
Wir kennen das alle – das Gefühl, wenn man für etwas beschuldigt wird, für das man keine Schuld trägt. Es versetzt einem ein Stechen in die Magengrube, wir ziehen die Augenbrauen hoch und unsere Mundwinkel neigen sich zum Boden. In uns steigt Wut auf und wir fangen an schwer zu atmen. Der Kloß im Hals hält noch die aufsteigenden Tränen zurück, bis uns ein starker Widerwille über die Lippen kommt. „Nein! – Nicht mit mir!“
Weder fühlen Sie sich verantwortlich noch können Sie die Beschuldigungen ihres Partners nachvollziehen. Zeit für solche Diskussionen haben sie noch weniger und Lust diese Art Gespräche zu führen überhaupt nicht. Sie ziehen ihre Konsequenz und lassen ihr Gegenüber stehen. Vielleicht schimpfen Sie auch und stellen die Situation aus ihrer Sicht richtig – in jedem Fall protestieren sie vehement.
Wie hängen Schuld und Verantwortung zusammen?
Wut ist neben Freude, Trauer und Furcht eine normale Reaktion, die zu den primären Emotionen nach Plutchik gehört. Wir reagieren mit einer kognitiven Einschätzung einer Situativ, die einen Handlungsimpuls auslöst. Oft sind uns die Ausmaße erst im Nachhinein bewusst und man hätte sich gewünscht, klüger zu reagieren.
Ein Synonym für Schuld ist die Verantwortung. Wir tragen für nahezu alles in unserem Leben Verantwortung, auch für zwischenmenschliche Beziehungen. Schuld löst bei uns Unbehagen aus, also ein negatives Gefühl, welches wir ungern auf uns sitzen lassen. Aus diesem Grund gehen wir in eine Abwehrhaltung, denn die ist bei einem Angriff auf uns die einzig richtige Verteidigung – oder?
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass Verantwortung übernehmen auch schiefgehen darf? Es ist also möglich, dass wenn wir von Schuld sprechen im Grunde nur eine Lösung für das Verfehlen unserer Verantwortung suchen.
Wenn dem so ist, weshalb drücken wir uns dann nicht klarer aus? Diese Frage führt uns zu der Theorie, dass wir Menschen zunehmend weniger miteinander kommunizieren – also Kommunikation verlernen und stattdessen auf unsere Instinkte zurückgreifen. Wir missverstehen das Gesagte und vermischen es mit aufsteigenden Gefühlen aus vergangenen Situationen. Gefühle sind oft der Lückenbüßer für nicht vorhandene Kommunikation.
Wie also konzentrieren wir uns auf die Verantwortung für eine zwischenmenschlich entstandene Situation, ohne unseren Gefühlen die Macht über unsere Reaktion zu verleihen?
Zunächst ist die nüchterne Reflexion der Situation erforderlich, die wir nur mit einem Perspektivwechsel erreichen können. Die Betrachtung als dritte Person und das Hineinfühlen in den Partner, verschafft uns Abstand und Raum für neue Gedanken. Wir sehen nicht nur die Möglichkeit der Schuldzuweisung, sondern nehmen auch alternative Optionen wahr, die unser Gegenüber ausdrücken wollte.
Ein Perspektivwechsel ist also der erste Schritt für eine harmonische Lösung – das Ziel jeden Konflikts in einer Beziehung.